
„Be your own bank“ ist ein gängiger Schlachtruf in der Bitcoin- und Blockchain-Szene. Doch warum sollte man seine eigene Bank sein wollen? Eine der Antworten konnte man 2008 beobachten, als die US-Investmentbank Lehman Brothers sich verspekulierte, Insolvenz anmeldete und eine globale Finanzkrise auslöste.
In Folge dessen mussten eine Menge anderer Banken, mit Steuergeldern unterstützt (gerettet) werden, um verloren gegangenes Vertrauen untereinander wiederherzustellen und den Geldfluss im System am Laufen zu halten. Zudem waren einige Banken im Laufe der Zeit derartig Systemrelevant geworden, dass man diese nicht einfach bankrottgehen lassen konnte, ohne die Kontrolle völlig zu verlieren, der Ausspruch „too big to fail“ machte, wie so oft in der Finanzwelt wieder einmal die Runde.
Eine Menge Idealisten kritisieren daher am aktuellen Bankensystem, dass die Kontrolle über das Geld zentral in den Händen weniger mächtiger Institutionen liegt. Die Fragestellung ist, ob ein derart zentralisiertes System auf Dauer sicher und vertrauenswürdig sein kann. Wie etwa garantiert ein zentralisiertes System, dass an den Kassenbüchern keine Veränderungen vorgenommen werden? Wie sichert es sich gegen einen Störfall (Brand etc.) oder einen Cyberangriff ab? Wie kann es gewährleisten, dass nur autorisierte Personen Zugriff auf sensible Daten bekommen? Solche Gefahren und Unsicherheiten könnten mit einer dezentralen Lösung reduziert, wenn nicht sogar beseitigt werden.
Kurz nachdem Lehman Brothers 2008 Insolvenz anmeldete, erschien unter dem Pseudonym „Satoshi Nakamoto“, ein neunseitiges Skript im Netz, das eine neue virtuelle Währung umreißt: “Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System”. Das Gründungsdokument beschreibt die technischen und ökonomischen Grundlagen der Währung im Detail. Die Überweisung der Beträge sollte direkt von Teilnehmer zu Teilnehmer (Peer-to-Peer) erfolgen, wobei kryptografische Techniken zum Einsatz kommen sollen. Der Begriff Bitcoin ist geboren. Es handelt sich um ein Kunstwort, bestehend aus den Wörtern Bit und Coin (engl. für Münze).
Das Gründungsdokument ist gespickt mit mathematischen Formeln, geschrieben auf Englisch. Dies führt zur Annahme, dass der Autor oder das Autorenkollektiv, in der universitären Welt der Computerwissenschaftler oder Mathematiker beheimatet sein dürfte. Bekannt ist nur, dass Nakamotos Bitcoin-Netzwerk zuerst 50 Bitcoins als digitale Währung herstellt und von Beginn an die maximale Anzahl aller je verfügbaren Bitcoins auf 21 Millionen Einheiten einschränkt. Am 03. Januar 2009 wurde der *Genesis Block erstellt und am 12. Januar 2009 wurde erstmals ein Bitcoin zwischen zwei Nutzern getauscht.
*Der Genesis Block ist der aller erste Block innerhalb der Blockchain. Anders als alle anderen Blöcke wurde er nicht vom Netzwerk errechnet, sondern stattdessen vor der offiziellen Veröffentlichung von Bitcoin erstellt, zudem ist er fest im Quellcode verankert.
Unabhängig von Notenbanken und Staaten
Das Bitcoin-Konzept ist eine echte Innovation und in der Geldgeschichte ohne Beispiel. Im Unterschied zu anderen Währungen gibt es bei Bitcoins keine Scheine oder Münzen. Es handelt sich vielmehr um eine abstrakte Recheneinheit, die dennoch an Börsen gehandelt und gegen andere Währungen getauscht werden kann. Ebenso neu ist, dass das Geld nicht von einer Zentralbank verwaltet und gesteuert wird, sondern dezentral über die Rechner der Bitcoin-Nutzer nach bestimmten Algorithmen. Die Verwahrung erfolgt mit Hilfe digitaler Brieftaschen, sogenannten „Wallets“.
Eine Inflation kann es beim Bitcoin nicht geben, denn die Gesamtmenge ist konstant und auf 21 Millionen Einheiten beschränkt. Die Unabhängigkeit von Staaten und Notenbanken ist eine der größten Vorzüge und Schwächen des virtuellen Geldes zugleich. Anders als bei Euros, US-Dollars, Yen usw. kann es hier keine Geldmengensteuerung und -politik von zentraler Stelle geben. Diese Manipulationsfreiheit wird in einer Ära der lockeren Geldpolitik oft als Vorteil gegenüber den realen Währungen gesehen. Andererseits hat die fehlende Steuerung sicher auch zu der hohen Volatilität und Blasenbildung beigetragen.
Bitcoins sind derzeit tendenziell schwankungsanfälliger als herkömmliche Währungen. Den Notenbanken selbst ist der fehlende Zugriff ein Dorn im Auge. Sie beobachten die Entwicklung der Internet-Währung ebenso intensiv wie argwöhnisch.